„Man hatte vor tausend Dingen Angst,
vor Schmerzen, vor Richtern, vor dem eigenen Herzen,
man hatte Angst vor dem Schlaf, Angst vor dem Erwachen, vor dem Alleinsein,
vor der Kälte, vor dem Wahnsinn, vor dem Tode
– namentlich vor ihm, vor dem Tode.
Aber all das waren nur Masken und Verkleidungen.
In Wirklichkeit gab es nur eines, vor dem man Angst hatte:
das Sich fallen Lassen, den Schritt in das Ungewisse hinaus,
den kleinen Schritt hinweg über all die Versicherungen, die es gab.
Und wer sich einmal, ein einziges Mal, hingegeben hatte,
wer einmal das große Vertrauen geübt
und sich dem Schicksal anvertraut hatte,
der war befreit.“
aus: „Klein und Wagner. Novelle“ von Hermann Hesse
Es bewegen mich derzeit ganz intensiv zwei Dinge: Einmal habe ich das innere Empfinden, die Zeit wird schneller. Es ist aber nicht dieses Gefühl „wo ist die Woche hin, eben war ja noch Montag“ und ein Durchhuschen durch die Tage. Es ist ein Gefühl von „huch – schon wieder eine Woche vorüber und habe ich das wirklich alles erlebt in dieser Zeit?“ Als wenn ich die Erlebnisse, Erfahrungen und Begegnungen in dieser Zeit sehr intensiv und bewusst durchlebe und gleichzeitig in großem Tempo.
Und was für mich dazukommt, es eröffnen sich so viele neue Ideen, Impulse, Projekte, Begegnungen. Die Ideen fallen auf fruchtbaren Boden, die passenden Menschen kommen in mein Feld, es teilt sich die Begeisterung und nun sind wir zu zweit oder in einer Gruppe in der „Volldampf-Energie“ unterwegs. Ein Katalysator. Wo die Energie in Leichtigkeit fließt, öffnen sich die Möglichkeiten. So wie ein ganz neues Projekt, das derzeit in Konzeption ist, in der Kundalini-Yoga-Lehrer-Akademie ein neues Format für Bewusstseins-Entwicklung anzubieten. Ein noch ungelegtes Ei, von dem ich in einem der nächsten Newsletter im Detail berichten und auch einladen möchte.
Was mich ebenfalls tief berührt – weil es mich auch verändert in meiner eigenen Innen- und Außenwahrnehmung – ist der Aufbruch in die „radikale Ehrlichkeit“ (radical honesty). Klingt „schlimmer“, als es ist. Eigentlich ist es eine Selbst-Wahrnehmung und Eigenverantwortung ohne faule Kompromisse. Und das, was faul war, zeigt sich, wenn ich genau hinschaue.
Kennst du das Gefühl, dass du in einem Gespräch oder in einer Situation kurz überrascht bist, weil sich etwas für dich komisch anfühlt? Es ist nur so ein Gefühl – tief drinnen und kaum wahrnehmbar. Und dann ist es auch schon wieder weg. Weil es scheinbar nicht wichtig ist, Glaubenssätze wie „lass doch mal gut sein, ist ja nicht so schlimm“ oder „wer weiß, ob du da überhaupt richtig liegst in deinem Gefühl“ oder schlicht das Gefühl, es würde dem anderen vielleicht nicht guttun, wenn ich etwas sage, ich möchte ja niemandem wehtun. Aber tief im Innern ist oft noch etwas übrig, das sich unerledigt anfühlt oder ungesehen, übergangen und nicht gesehen.
Ich gehe diesen kleinen inneren Gefühlen im Moment nach, ich nehme mir immer öfter den Mut, Dinge anzusprechen, die sich erst einmal nur in mir „anfühlen“. Ich nehme sie ernst und spüre, ob ich sie aussprechen möchte. Und wenn ich mich dann traue – liebevoll, auf Augenhöhe und zum Besten aller Seiten von meinem Empfinden zu sprechen – und diese Glaubenssätze oder Angst überwinde, sehr erstaunlich: Diese Offenheit wird sehr wertgeschätzt! Es kommt die selbe Offenheit zurück. Es ist wie eine Aufwärts-Spirale in eine höhere Ebene von Bewusstsein – denn ich bin BEWUSST in diesem Moment, außerdem authentisch, ich öffne mich, spreche von meinen Gefühlen, von meinen Mustern, von
dem, was ich wahrnehme. Könnte ich mich nicht vielleicht lächerlich machen? Was sollen denn die anderen denken, gehört sich das? – Ups – enttarnt! Noch mehr alte Glaubenssätze, die ausgedient haben!
Was passiert, ist dass ich mich viel tiefer und besser lerne wahrzunehmen, auch die kleinen Gedanken und Gefühle „dazwischen“ werden auf einmal wert, ausgesprochen oder wenigstens reflektiert zu werden. Ich nehme mir Zeit für mich.
Das schenkt so viel Ehrlichkeit und Authentizität, dass ich von meinem Projekt der radikalen Ehrlichkeit selbst überrascht bin. Ein weiterer Schritt in die Selbstliebe, in die Selbstermächtigung und Selbstverantwortung.
Und was sehr spannend ist, es geht da nicht nur ums selbst und ich. Dieses Aussprechen ist auch oft ein Geschenk für die andere Person. Am Ende können beide etwas auspacken – wenn wir es als solches erkennen.
In der Yoga Philosophie nennen wir diese (meist unbewussten) Verhaltensmuster und Glaubenssätze SAMSKARA. Oftmals sitzen sie so tief, dass wir uns sogar über sie definieren. Ihnen auf die Schliche zu kommen bringt Schritt für Schritt in die innere Freiheit. Ich bleibe dran und wer weiß, vielleicht haben wir auch einmal die Gelegenheit für einen solchen Austausch 😉
Was dazu passt ist der Eingangstext von Hermann Hesse, den ich neulich gelesen habe. „Wer sich hingegeben hatte, war befreit“. Das Zauberwort ist Vertrauen.
Und was uns dieser Tage wieder einmal trägt und begleitet ist die Energie des Neumondes. Morgen, am Freitag, haben wir kurz vor Mitternacht den Neumond im Wassermann. Übermorgen beginnt gleich darauf das chinesische neue Jahr des Drachen. Neuanfang.
Was ist die Qualität des Wassermanns? Es geht um Freiheit, Spontaneität, Veränderung, neue Regeln, gesprengte Barrieren. Dies ist die Chance, dein Leben und deine Welt neu zu gestalten. Der Neumond im Wassermann fordert geradezu dazu auf, die eigenen Grenzen zu hinterfragen und sie vielleicht zu sprengen, Zeit zu experimentieren, Neues auszuprobieren, auch wenn es abwegig erscheint. Fehler der Vergangenheit können sich zeigen – vielleicht schmerzhaft. Zeit für Erkenntnis und Wachstum.
Es kann sich ein bisschen nervös anfühlen oder eben dynamische Schubkraft schenken.
Die Zeit ist dynamisch – bin ich flexibel und beweglich, um mit ihr zu tanzen?
Ich wünsche es uns allen, dass wir gemeinsam und dynamisch alles Neue wagen, in Liebe aussprechen, was gesagt werden möchte, sozusagen das Herz auf die Zunge legen und erkennen, dass wir alle miteinander am Ende eins sind: eine große Familie.